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# Tarifvertrag für studentische Beschäftigte: Blockade bundesweiter Verhandlungen beenden, Regierungsvereinbarung einhalten! *offener Brief abrufbar unter https://brandbrief-nrw.tvstud.de* Sehr geehrter Herr Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk, sehr geehrte Hochschulkanzler\*innen, sehr geehrte Geschäftsführer\*innen der Klinik am Rosengarten, Stiftung für Hochschulzulassung und Landeskrebsregisters, fast 40.000 „Hilfskräfte“ und Tutor\*innen arbeiten an den nordrhein-westfälischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, bundesweit sind es mehr als 325.000. Sie alle sind bislang vom Tarifvertrag der Länder ausgeschlossen – außer in Berlin, wo bereits seit 1980 ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TVStud) besteht. Acht Bundesländer haben sich mittlerweile in Koalitionsverträgen und Regierungsbeschlüssen dazu bekannt, diese größte Tariflücke im öffentlichen Dienst schließen zu wollen – auch Nordrhein-Westfalen! Im von CDU und Bündnis 90/die Grünen erst vergangenes Jahr unterzeichneten Zukunftsvertrag heißt es: **„Wir setzen uns dafür ein, dass studentische Hilfskräfte in den Tarifvertrag der Länder eingruppiert werden.“** Diesen Worten müssen nun Taten folgen – durch eine klare Positionierung innerhalb der Tarifgemeinschaft deutscher Länder sowie der Arbeitsgruppe zur laufenden „Bestandsaufnahme zu den Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter“. Denn der Handlungsbedarf ist offenkundig. #### „Die Nicht-Einhaltung von Arbeitnehmer\*innenrechten stellt den Regelfall dar.“ [^first] Dass studentische Beschäftigte in wesentlichem Maße Tätigkeiten außerhalb von Forschung und Lehre ausüben und damit tagtäglich nicht nur gegen den „Vertrag über gute Beschäftigungsbedingungen NRW“, sondern auch gegen geltende Bundesarbeitsgerichtssprechungen verstoßen wird, ging bereits aus der Teil-Evaluierung des „Vertrags über gute Beschäftigungsbedingungen für das Hochschulpersonal in Nordrhein-Westfalen“ von 2022 hervor.[^second] Dass sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die soziale Lage studentischer Beschäftigter darüber hinaus prekär sind, ist das zentrale Ergebnis einer am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen durchgeführten Erhebung mit über 11.000 Befragten bundesweit. Das Einkommen aus der studentischen Beschäftigung ist mit rund 443 Euro die Haupteinnahmequelle der Hilfskräfte und Tutor\*innen in Nordrhein-Westfalen, 35 % der Befragten geben außerdem an, mindestens zeitweise einer weiteren Nebentätigkeit außerhalb der Hochschule nachzugehen. Trotzdem sind 75,4 % der studentischen Beschäftigten armutsgefährdet. Hinzu kommt eine Beschäftigungspraxis, die sich durch fehlende Planbarkeit auf Seiten der Beschäftigten und einem hohen Verwaltungsaufwand auf allen Seiten auszeichnet. Durchschnittlich wird ein Arbeitsvertrag in NRW für 6,6 Monate geschlossen, die Gesamtbeschäftigungsdauer liegt allerdings bei rund 20 Monaten, mehrfache Wiederanstellung auf derselben Stelle sind die Folge. Diese Kettenbefristung hat Konsequenzen: 12 % der Hilfskräfte und Tutor\*innen geben an, bereits ohne schriftlichen Arbeitsvertrag gearbeitet zu haben, knapp 14 % sogar unbezahlt für teilweise mehrere Wochen vor Vertragsbeginn. Diese Folgen der derzeitigen Beschäftigungspraxis sind bereits seit mindestens 2013 zwischen Hochschulen und Land bekannt, und führen zudem zu fehlender Planbarkeit und einem „System permanenter Bewährung“, in dem die Beschäftigten aus Nicht-Wissen oder Furcht vor Konsequenzen ihre Arbeitnehmer\*innenrechte nicht realisieren können. Mit nur 44% nimmt weniger als die Hälfte der Befragten in NRW ihren Urlaub vollständig in Anspruch; knapp 50% arbeiten mindestens manchmal, rund 18% davon sogar immer Krankheitstage nach. #### Politische Verantwortung wahrnehmen, Regierungsvereinbarung einhalten, Tarifverhandlungen ermöglichen! Der Vergleich zu Berlin zeigt demgegenüber deutlich: Wo ein Tarifvertrag, Mindestvertragslaufzeiten und ein studentischer Personalrat bestehen, gibt es deutlich positive Effekte hinsichtlich der sozialen Lage und der Einhaltung von Arbeitnehmer\*innenrechten. Den Handlungsbedarf, einen solchen Tarifvertrag bundesweit durchzusetzen, bekräftigte Wissenschaftsministerin Ina Brandes angesichts der Studienergebnisse bereits im Februar 2023 mit einem schriftlichen Bericht gegenüber dem Wissenschaftsausschuss. Darin heißt es: > „Aus Sicht der Landesregierung bestätigen die Ergebnisse der Studie, dass die bisherigen Maßnahmen, die in Nordrhein-Westfalen unternommen wurden, um die Beschäftigungsbedingungen dieses Personals zu verbessern, fortgeführt werden sollten. […] In Umsetzung der Aussage des Koalitionsvertrages, sich für die Eingruppierung der studentischen Hilfskräfte in den Tarifvertrag der Länder (TV-L) einzusetzen, unterstützt die Landesregierung darüber hinaus die Tarifpartner bei der Umsetzung von Folgerungen und Maßnahmen aus der derzeit erfolgenden Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte. Die Bestandsaufnahme ist ein von den Tarifpartnern vereinbartes Projekt, für dessen Durchführung sie im Rahmen der grundgesetzlich geschützten Tarifautonomie verantwortlich sind. Das Land ist als Mitglied über den Arbeitgeberverband des Landes NRW e. V. (AdL NRW), der wiederum Mitglied der TdL ist, in die Bestandsaufnahme eingebunden.“[^third] Wir fordern Sie, die Mitglieder des AdL NRW und insbesondere Sie, Herrn Dr. Optendrenk, als Vorsitzenden sowie in Ihrer Funktion als politisch verantwortlicher Minister, eindringlich dazu auf, diese Verantwortung in Land und Bund ernst zu nehmen und den Weg für Tarifverhandlungen für Studentische Beschäftigte frei zu machen! [^first]: https://www.iaw.uni-bremen.de/f/b1d9874527.pdf, S. 122. [^second]: https://www.mkw.nrw/system/files/media/document/file/evaluation_vgb_bericht_final_maerz2022.pdf, S. 63–69. [^third]: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV18-789.pdf ### Unterzeichner\*innen * Tarifinitiative Studentischer Beschäftigter (TVStud) * Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) * Grüne Jugend Nordrhein-Westfalen * Landes-ASten-Treffen Nordrhein-Westfalen (LAT NRW) **Information:** ver.di NRW hat schriftlich Finanzminister Herrn Dr. Optendrenk sowie die Landesrektorenkonferenz der Universitäten und die der Hochschulen für angewandte Wissenschaften dazu aufgefordert, ihre politischen Funktion und Mitgliedschaft im AdL NRW dazu zu nutzen, den Weg für Tarifverhandlungen für studentische Beschäftigte in der Tarifgemeinschaft der Länder frei zu machen. ### Verteiler <details> <summary>Verteiler: Mitglieder des Arbeitgeberverband des Landes NRW e.V.</summary> * **Dr. Marcus Optendrenk**, Minister für Finanzen und Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes des Landes Nordrhein-Westfalen * **Manfred Nettekoven**, Kanzler der RWTH Aachen * **Dr. Stephan Becker**, Kanzler der Universität Bielefeld * **Christina Reinhardt**, Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum * **Holger Gottschalk**, Kanzler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn * **Albrecht Ehlers**, Kanzler der TU Dortmund * **Dr. Martin Goch**, Kanzler der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf * **Jens Andreas Meinen**, Kanzler der Universität Duisburg-Essen * **Birgit Rimpo-Repp**, Kanzlerin der FernUniversität Hagen * **Karsten Gerlof**, Kanzler der Universität zu Köln * **Marion Steffen**, Kanzlerin der Deutschen Sporthochschule Köln * **Matthias Schwarte**, Kanzler der Universität Münster * **Simone Probst**, Vizepräsidentin für Wirtschafts- und Personalverwaltung der Universität Paderborn * **Ulf Richter**, Kanzler der Universität Siegen * **Dr. Ursula Löffler**, Kanzlerin der Bergischen Universität Wuppertal * **Volker Stempel**, Kanzler der Fachhochschule Aachen * **Gerd Böhlig**, Kanzler der Hochschule Bielefeld * **Markus Hinsenkamp**, Kanzler der Hochschule Bochum * **Angela Fischer**, Kanzlerin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg * **Svenja Stepper**, Kanzlerin der Fachhochschule Dortmund * **Dr. Cathrin Müller-Brosch**, Kanzlerin der Hochschule Düsseldorf * **Dr. Heiko Geruschkat**, Kanzler der Westfälischen Hochschule * **Annette Pietsch**, Kanzlerin der Hochschule für Gesundheit * **Sandra Schlösser**, Kanzlerin der Hochschule Hamm-Lippstadt * **Dr. Ursula Löffler**, Vizepräsidentin für Wirtschafts- und Personalverwaltung der TH Köln * **Guido Brebaum**, Kanzler der Fachhochschule Münster * **Dr. Fabienne Köller-Marek**, Kanzlerin der Hochschule Niederrhein * **Nicole Soltwedel**, Kanzlerin der TH Ostwestfalen-Lippe * **Michael Strotkemper**, Kanzler der Hochschule Rhein-Waal * **Heinz-Joachim Henkemeier**, Kanzler Fachhochschule Südwestfalen * **Dr. Jörn Hohenhaus**, Kanzler der Hochschule Ruhr West * **Uwe Hamann**, Geschäftsführer der Klinik am Rosengarten * **Bibiana Kemner**, Geschäftsführerin der Stiftung für Hochschulzulassung * **Dr. Andres Schützendübel**, Geschäftsführer des Landeskrebsregisters Nordrhein-Westfalen </details> ### Unterstützer\*innen * Fachschaft XY, Universität Z * AStA der Universität Z *Wenn ihr den Brandbrief auch unterstützen wollt, schreibt eine E-Mail an `nrw@tvstud.de`*